Myanmar: Götter, Geister und Dämonen
Für den nächsten Morgen war der Grenzübertritt von China nach Myanmar recht früh angesetzt (gegen 7 Uhr) damit wir die üblichen Abfertigungsschlangen an der Grenze (kleiner Grenzverkehr China - Myanmar) vermeiden konnten. Was dabei nicht bedacht wurde, war, dass es in Myanmar 1½ Stunden früher ist! Also statt um 7 Uhr chinesischer Zeit musste unser neuer burmesischer Führer Kyaw um 5:30 Uhr burmesischer Zeit an der Grenze sein ! Er hat uns dann trotzdem freundlich empfangen und umarmt.
Als wir an die Grenze kamen war es indes keineswegs sicher, dass wir sie passieren durften! Wir hatten zwar ein "Permit" des Tourismus-Ministeriums aber die Zustimmung des Immigration-Ministeriums, die eigentlich notwendig war, lag keineswegs vor. Dieses Ministerium hatte dem Reisebüro gegenüber überhaupt nichts verlauten lassen, sich also "tot gestellt". Die Einreise nach Myanmar über einen Grenzübergang im Shan-Staat (und Muse liegt im Shan-Staat) war bis zu unserer Ankunft noch keiner Touristengruppe erlaubt worden, da es in der Vergangenheit immer wieder Kämpfe der Armee mit nationalen Minderheits-Separatistengruppen im Shan-Staat gegeben hatte.
Wir kamen also auf der chinesischen Seite der Grenze in Ruili an. Unser chinesischer Führer Minway Fu erklärte den Beamten unsere Absicht nach Myanmar einzureisen. Wir wurden höflich und mit einem zuvorkommenden Lächeln an den Schalter einer Grenzbeamtin (mit mehr Sternen auf der Schulterklappe als die anderen Beamten) geführt. Sie befasste sich denn auch mit professioneller Routine mit unseren Pässen, Visas und sonstigen Grenzpapieren, sah in ihrem Computer nach, ob nichts gegen uns vorliege, setzte ihre Stempel unter die Dokumente und überreichte sie uns lächelnd. Danach inspizierte einer der Beamten (der nächst höhere wohl) unser Gepäck (recht oberflächlich), streckte uns die Hand entgegen und verabschiedete uns per Handschlag aus China, dem sich die übrigen anwesenden Beamten anschlossen. Also eigentlich von chinesischer Seite eine unproblematische, höfliche und freundliche Grenzüberquerung. Auf myanmarischer Seite wurden wir sofort von Kyaw, unserem burmesischen Führer in Empfang genommen und gleich umarmt. Es blieb kaum noch Zeit unseren chinesischen Führern auf der anderen Seite der Grenzkontrolle zurückzuwinken, da ging es schon weiter in ein kleines "Kabuff" der myanmarischen Grenzkontrolle. So "protzig" die Grenzgebäude auf chinesischer Seite waren, so armselig waren sie auf myanmarischer Seite. Außer den Schreibtischen der Grenzbeamten gab es genau 2 wackelige Stühlchen, auf die sich Touristen setzen konnten. Auf einem der Schreibtische prangte der ganze Stolz der Behörde - ein Uralt-Computer mit Windows 3.2 Betriebssystem. Nach längeren Erklärungen, was wir denn hier eigentlich wollten, nach der Vorlage der Papiere und einem längeren Palaver unseres Guides mit den Beamten wurden wir in die Stadt Muse geschickt, da man offenbar erst Telefonate mit oberen Behörden tätigen musste, bevor man uns die Einreise erlauben konnte. In dieser Zeit besuchten wir den örtlichen Markt in Muse, der recht ausgedehnt ist. Dort fiel uns als erstes auf, dass wir es mit "anderen Menschen" zu tun hatten. Die Leute sahen wesentlich "indischer" aus. Viele Frauen und Kinder hatten ihr Gesicht mit Tanaka-Paste eingerieben, einer Kosmetik-Paste aus der Rinde des Tanaka-Baumes, die die Haut schützen sollte. Zu unserem Glück dachte unser Führer Kyaw daran, dass wir ja noch chinesische Yuan haben könnten, die wir hier eventuell günstig in Kyatt (burmesische Währung) tauschen könnten, da man hier an der chinesischen Grenze dafür durchaus Verwendung haben könnte, während man sie im Landesinneren kaum noch losbekäme. Wir hatten uns am Vorabend schon überlegt, was wir denn mit den überzähligen Yuans (ca. 150 €) machen sollten, da wir sie ja nur zu einem Bruchteil des Wertes zuhause zurücktauschen könnten. Hier bekamen wir einen anständigen Kurs, der uns erst nach ca. 1½ Wochen wieder zwang US$ in Kyatts umzutauschen, denn €uros waren weitestgehend unbekannt oder wurden misstrauisch beäugt.
Nach dem Marktbesuch mussten wir in die Stadt fahren, weil Kyaw unsere Grenzübertrittspapiere auf seine Kosten in einem Copy-Shop der Stadt in einer bestimmten Anzahl kopieren musste, um sie den Straßenkontrollen, die es von Norden kommend bis Mandalay immer wieder gab (so lange wir uns im Shan-Staat aufhielten), übergeben zu können. In der Grenzstation gab es also keinen Kopierer, und der in der Stadt schien (nach der Dauer unserer Wartezeit zu urteilen) entweder sehr belegt oder uralt zu sein. Schließlich waren alle Kopien gemacht, wir mussten sie nur noch zur Grenzstation bringen, um sie ordnungsgemäß abstempeln zu lassen, dann konnte die Fahrt nach ca. 3 Stunden Aufenthalt an der Grenze (davon etwa eine ¼ Stunde auf chinesischer Seite) weiter gehen. Wir fuhren ca. 15 Kilometer ins Landesinnere, da war die erste Straßenkontrolle fällig, und der erste Stempel musste abgeholt werden.
Die weitere Fahrt nach Lashio war ziemlich ereignislos, abgesehen von einem ersten Mittagessen in einer Straßenkneipe. Dort wurden wir zunächst aufgefordert, uns an einigen Wasserhähnen an der Straße die Hände zu waschen. Wir wollten dann zunächst einmal einem menschlichen Bedürfnis nachgehen und die Toilette aufsuchen. Die Toiletten waren hinter dem Haus und bestanden aus einem ausbetonierten Loch im Boden, einem Wasserbottich und einer Schöpfkelle - die Wasserspülung. In der Gaststätte selbst wurden wir an einen in der Mitte des Raumes aufgestellten Herd geleitet, wo in der Mitte ein großer Topf mit Reis stand, aus dem wir als erstes schöpfen sollten, danach konnten wir in einem Rundgang um den Herd aus verschiedenen Töpfen die Beilagen, gekochte Auberginen und andere einheimische Gemüse und dazu Huhn oder Schwein oder Fisch. Das Essen war einfach aber nicht unschmackhaft. Es hielt allerding keinen Vergleich zu anderen südostasiatischen Küchen wie die thailändische, chinesische oder vietnamesiche aus.
In Lashio angekommen wurde uns ein weiterer großer Unterschied zu China bewußt. Myanmar erschien uns - und der Eindruck verstärkte sich im weiteren Verlauf unserer Reise - als "buddhistischer Gottesstaat". Wir haben noch in keinem weiteren südostasiatischen Staat eine so innige Verbindung zwischen Staat und Religion erlebt wie in Myanmar. Die Religion spielt auch eine ganz selbstverständliche riesige Rolle im Alltagsleben der Menschen. Ein Gutteil des "Haushaltsbudgets" der Einheimischen geht für Spenden (donations), für den Unterhalt der unzähligen Mönche und Nonnen und den Erhalt der Heiligtümer drauf. Man erhofft sich von den Spenden und der Verehrung Buddhas und der Geister (nats) persönliche Vorteile - man macht also ein Geschäft mit Gott: Ich bringe Spenden, unterhalte damit die Mönche und Nonnen, investiere dadurch auch in meine eigene Zukunft und dafür erwarte ich, dass es mir dann gut geht.
So besuchten wir denn auch bei der Ankunft in Lashio nicht zuerst das gebuchte Motel zum Einchecken, sondern die ältere Mansu-Pagode , wo Kyaw uns den generellen Aufbau einer Pagode erklärte. Danach erst checkten wir im Lashio-Motel ein. Als wir unser Zimmer erreicht hatten waren wir zunächst ziemlich erschüttert über den Zustand der Zimmer, denn von China waren wir eine ganz andere Qualität der Zimmer gewöhnt. Marode Badezimmerarmaturen, offene Abwasserabflüsse von Waschbecken und Dusche, sowie ein alter Warmwasserboiler, den man - der Gebrauchanweisung nach - eine halbe Stunde vor Benutzung aufheizen musste, waren offenbar das, was man unter einem *** Motel verstand. Wir waren sehr besorgt, ob das denn im ganzen Land so weiter gehen würde. Um es vorweg zu nehmen, das war keineswegs so, sondern die Qualität dieser Unterkunft war tatsächlich die bei weitem schlechteste der ganzen Reise, ganz klar der einzige "Ausreisser", nur für eine Nacht und mit großer Wahrscheinlichkeit der Wahl unseres Reisewegs geschuldet. Im nördlichen Shan-Staat gibt es wahrscheinlich kaum bessere Unterkünfte!
Am Abend besuchten wir noch den wohl größten chinesischen Tempel in Myanmar, von wo aus man einen schönen Blick über Lashio und Umgebung hat.
Nach einem für den Zustand des Lashio-Motels untadeligen Frühstück, ging die Fahrt Richtung Kyaukme, wo wir den Zug nach Maymio besteigen wollten, um über das Goktheik-Viadukt zu fahren. Unterwegs hielten wir kurz am Fluss, um ein wenig frische Luft zu schnappen und weiter an einer nicht ganz unbedeutenden Pagode, der Bawgyo Pagode kurz hinter Hsipaw. Dort bereits ging uns die ewige "Schuhauszieherei" vor den Pagoden auf die Nerven, aber um nicht anzuecken schickten wir uns drein. Dann kamen wir schließlich an den Bahnhof in Kyaukme . Auf uns allein gestellt hätten wir ihn nicht gefunden, so unscheinbar ist der Bahnhof. Aber es waren schon jede Menge Menschen einerseits dabei, Fahrkarten zu kaufen oder andererseits bereits auf den Zug zu warten. Der Bahnhof ist dabei ein beliebter und attraktiver Handelsplatz, denn offensichtlich sitzt den Myanmarern bei Ortswechsel das Geld lockerer als sonst. Man hatte sich offenbar auf eine längere Wartezeit eingerichtet, aber der Zug kam schon 1½ Stunden nach der offiziellen Abfahrtzeit in den Bahnhof gerollt, ohne dass irgendjemand Unmutsäußerungen von sich gegeben hätte. Es ging dann nochmal etwa eine halbe Stunde bis er wieder abfuhr, weil - wie man uns erklärte - er ziemlich viel Fracht mitzunehmen hatte, und die musste natürlich von Hand verladen werden, nicht weil sie kostbar war, sondern weil es keine anderen Möglichkeiten gab. Nach dieser halben Stunde setzte sich dann der Zug in Bewegung. Wir fuhren eine Höchstgeschwindigkeit von ca. 45 km/h, nicht weil der Zug nicht schneller fahren konnte, sondern weil die Schienen nicht mehr zuließen. Schon bei dieser Geschwindigkeit glich die Fahrt eher einem Rodeoritt als einer Eisenbahnfahrt. Das hopste und schlingerte in einem fort und gab dazu erschreckende Kreischgeräusche von sich. Wir wurden buchstäblich von der unserer Holzbank hoch geschleudert, so dass wir vom Sitz abhoben und mussten uns beim Schlingern an den Fenstern, die bei der Wärme geöffnet waren, festhalten. Nach etwa 1½ Stunden näherten wir uns dem Goktheik-Viadukt wo die Fahrt plötzlich erkennbar langsamer wurde und nur noch im Schrittempo gefahren wurde. Der Zug fuhr im Schritttempeo über das gesamt Viadukt, so dass man ohne Mühe Fotos machen konnte. Fotografieren war seit ca. 4 Wochen wieder erlaubt - die Vorgängerregierung hatte das Viadukt als militärisches Objekt eingestuft und das Fotografieren verboten. Zwei Stopps hinter dem Viadukt war die Eisenbahnfahrt für uns schon wieder vorbei, denn unser Auto wartete an der dortigen Haltestelle. Wir waren nicht sehr böse über diesen "Bequemlichkeits-Upgrade". Bevor wir Maymio erreichten legten wir noch einen Stopp an der Maha Ant Htoo Kan Thar - Pagode ein. Eine gut ausgestattete Pagode mit einem renovierungsbedürftigen "Disco-Buddha" (also einer Buddha-Figur von deren Kopf strahlenkranzartige blinkende Lämpchen ausgehen). In Maymio angekommen, hielten wir uns nicht in der Stadt auf, sondern fuhren gleich an den Kandawgy-See nahe am botanischen Garten der Stadt, wo unser Hotel, das Kandawgy Hill Resort lag. Wir waren sehr auf die Qualität der Unterkunft gespannt, da wir die Bilder vom Lashio-Motel noch im Kopf hatten. Zum Glück stellte sich das Resort als ein idyllisch gelegenes kleines Hotel mit ca. 10 Bungalows heraus, das ganz im englischen Stil geführt wurde, ohne dabei steif zu wirken. Wir bezogen also unseren sehr sauberen und mit allen "facilities" ausgestatteten Bungalow und vertraten uns vor dem Abendessen nur noch ein wenig die Füße am Kandawgy-See. Weiter nach Mandalay